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Wir schreiben das Jahr 2013. Das 2008 vom Deutschen Bundestag verabschiedete "Schornsteinfeger-Handwerksgesetz" ist nach langer Übergangszeit jetzt voll in Kraft getreten. Die Zeitungen berichten, dass Hausbesitzer jetzt zwar den Schornsteinfeger frei auswählen können, dann folgt jedoch sofort ein dickes "ABER". Es wird auf die auch weiterhin bestehenden Kehrbezirke und die Sonderrolle der Bezirksschornsteinfeger hingewiesen. Und natürlich werden die bürokratischen Pflichten bis hin zu Bußgeldern und Zwangsmaßnahmen drastisch dargestellt. Im Ergebnis darf sich dann ein Bezirksschornsteinfeger äußern und darauf hinweisen, dass fast alle seiner "Kunden" ihn auch weiterhin beauftragen würden und dies letzendlich für den Bürger ja auch das Einfachste und Sicherste sei.
Und kommt dann doch mal ein Hausbesitzer auf die Idee, von seinem Wahlrecht Gebrauch machen zu wollen, prallt er gegen die Front der Schwarzen Männer. Sogar die Stiftung Warentest musste feststellen, dass sie trotz mehrerer Preisanfragen keine Angebote von Schornsteinfegern erhalten hat. Wie formulieren es die Bezirksinhaber? "Ich bin mit den Arbeiten in meinem Kehrbezirk so ausgelastet, ich habe gar keine Kapazitäten frei, um Kunden aus anderen Bezirken abzuwerben." Der Volksmund formuliert anders: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus."
Da hatte die Europäische Kommission schon seit Jahren gefordert, dass auch in Deutschland die Schornsteinfeger als ganz normale Handwerker zu betrachten seien und somit ein Kehr-MONOPOL für Bezirksinhaber mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Nun Deutschland hat in seinem Bestreben, das Kehrbezirks-System mit seinen halbstaatlichen Schnüfflern, die Zugang praktisch in alle Häuser erlangen, möglichst lange beizubehalten, das Ganze zunächst einfach ausgesessen. Erst als ein Vertragsverletzungsverfahren drohte, wurde 2008 das Gesetz reformiert. Und die Politik konnte den "Schwarzen Peter" an die EU weitergeben. "Liebe Schornsteinfeger. Wir wollten Eure Sonderrechte ja nicht beschneiden. Die böse EU ist schuld."
Und dann folgte die halbherzigste "Reform", die man sich denken kann. Das Ziel der Politik war von Anfang an, so viel wie möglich zu erhalten und nur gerade so wenig anzupassen, dass die EU Ruhe gibt. Dabei hätte schon ein Blick ins Grundgesetz gereicht, um erkennen zu können, dass das, was die EU gefordert hat, eigentlich seit dem Inkraftreten unserer "Übergangs-Verfassung" auch DEUTSCHES Recht ist. Ein kombiniertes Berufs- und Bezirks-MONOPOL ist mit dem Geist einer freiheitlich demokratischen Grundordnung kaum in Einklang zu bringen.
Da hilft auch nicht das immer wieder propagierte Märchen der "Öffentlichen Sicherheit", des deutschen Brandschutzes und natürlich, ganz zeitgemäß, der Hinweis auf den Umweltschutz. Wenn der Gesetzgeber eine Überwachungsbehörde will, soll er eine BEHÖRDE einrichten. Dann muss jedoch das allgemein anwendbare Verwaltungsrecht gelten. Und wenn er glaubt, Aufgaben könnten auch von der Wirtschaft übernommen werden, dann muss er sich auch hier an die Spielregeln halten. Von einem "Unternehmer" kann doch nur dann gesprochen werden, wenn dieser auch etwas "unternehmen" kann. Der potentielle Kunde muss doch auf einem Markt zumindest die Auswahl zwischen MEHREREN Anbietern haben. Das galt VOR 2008 und gilt auch nach 2013. Sowohl für die handwerklichen Schornsteinfeger, als auch für die angeblichen "beliehenen Unternehmer", die als Schein-Selbständige die Behörde einer Kehrbezirks-Verwaltung unter der Bezeichnung "bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger" übernehmen. Entweder BEHÖRDE, dann aber auch konsequent. Oder Unternehmer, Gewerbetreibender und Handwerker, dann jedoch mit zivilrechtlichen Spielregeln auf einem MARKT.
Je länger man sich mit dieser SONDER-Konstruktion beschäftigt, um so deutlicher wird einem jedoch, dass hier die Bürger von vorne bis hinten getäuscht und an der Nase herum geführt werden. Fragt man die Politik, was das Schornsteinfeger-Sonder-Gesetz eigentlich soll, wird sofort das hohe Lied des hohen Standards an Brandschutz in Deutschland angestimmt. Komisch, warum heißt das Gesetz dann nicht "Brandschutz-Gesetz"? Oder "Feuerstätten-Sicherheits-Gesetz"? Warum bindet sich der Gesetzgeber bereits im NAMEN des Gesetzes an einen bestimmten Berufsstand, noch bevor im Gesetz dann später festgelegt wird, wozu es eigentlich dienen soll?
Es ist nicht etwa so, dass zunächst ein Problem gelöst werden soll und dann als Problem-Lösung auch die Schornsteinfeger eingeschaltet werden. Nein. Erst steht fest, dass es um die Beschäftigung dieser Berufsgruppe geht. Erst steht fest, dass man unbedingt "Kehr-Bezirke" braucht. Und dann wird ein Gesetz drum herum gebastelt. Der Bund stützt sogar seine Gesetzgebungsbefugnis auf Artikel 74 Absatz 1 Nr. 11 des Grundgesetzes als "RECHT DER WIRTSCHAFT". Es geht also gar nicht primär um die "Öffentliche Sicherheit". Es geht um privilegierte halbstaatliche "Handwerker", die auch weiterhin Zugang in alle Häuser erlangen sollen.
Doch mit der Täuschung hinsichtlich der Absichten des Gesetzes ist es ja noch nicht ausgestanden. Man muss nur mal bedenken, wie das "Schornsteinfeger-Handwerksgesetz" im Langtext bezeichnet wird. Es heißt nämlich: "Gesetz über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk".
Und bereits mit Paragraf 1 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesetzes wird der Etikettenschwindel enttarnt. Da hießt es nämlich: "Eigentümer von Grundstücken und Räumen sind verpflichtet, ..." Jetzt müsste spätestens jedem LOGISCH denkenden Menschen auffallen, dass Gebäude-EIGENTÜMER den Beruf des "Schornsteinfegers" gar nicht ausüben. Wenn ein Gesetz ein "Berufsrecht" regeln will, was hat das dann mit Pflichten für JEDERMANN zu tun? Und, man muss nur bis zum Absatz 3 weiterlesen, es soll sogar das Grundrecht auf "Unverletzlichkeit der Wohnung" eingeschränkt werden. Spinne nur ich? Was hat das mit dem "Berufsrecht der Schornsteinfeger" zu tun?
Man kann dann noch an vielen Stellen weitermachen. Es sei nur beispielhaft die Einrichtung der "Kehrbezirke" und der Umstand genannt, dass bestimmte "Gebühren" im Wege des VERWALTUNGS-Vollstreckungswegs beigetrieben werden sollen. Was haben die Regelungen zu einem VERWALTUNGS-Verfahren in einem HANDWERKS-Gesetz zu suchen? Wieso behaupten Politik und Verwaltung beharrlich, die "bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger" seien "beliehene" UNTERNEHMER, behandeln diese dann jedoch, als sei die Kehrbezirks-VERWALTUNG eine übliche BEHÖRDE? Und spätestens, wenn ein Handwerker mit HOHEITLICHEN Aufgaben betraut werden soll, müsste JEDEM klar sein, dass soeben die Grenze des "RECHTS DER WIRTSCHAFT" überschritten wurde.
Warum regelt das Grundgesetz überhaupt die Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, wenn diese Verfassungsbestimmungen dann elegant per Etikettenschwindel umgangen werden können? Ist der Politik wirklich das Einkommen der Schornsteinfeger wichtiger, als unsere Verfassungsgrundsätze? Warum wird die Sicherheit von Feuerstätten nicht grundgesetzkonform (Art. 70 bis 74 GG) von den LÄNDERN gesetzlich geregelt? Und überhaupt, was hat diese "Sicherheit" eigentlich zwingend mit "Schornsteinfegern" zu tun?
Jeder Jurastudent lernt, das "Rechtsklarheit" und "Rechtswahrheit" fundamentale Grundsätze eines Rechtsstaats sind. Aber das Schornsteinfegerwesen steht wohl außerhalb des Rechts. Hausbesitzer werden im Rahmen eines "Berufsrechts" zur beauftragung und Duldung von Arbeiten verpflichtet. Grundrechte werden eingeschränkt, obwohl das mit einem "Recht der Wirtschaft" auch nicht ansatzweise etwas zu tun hat. Es werden Kehrbezirke eingerichtet und Handwerker als deren Verwaltungsleiter bestellt, die per Verwaltungsakt Pflichten für die Bürger bestimmen dürfen. Und das alles unter dem Etikett eines "Handwerksgesetzes". Was hat das noch mit "Rechtswahrheit" und "Rechtsklarheit" zu tun?
Wer es nicht glauben mag, sollte selbst mal das "Schornsteinfeger-Handwerksgesetz" und die hierauf basierende "Kehr- und Überprüfungsordnung" lesen. Man findet ja noch nicht mal KONKRETE Angaben, welchen Gefahren der Gesetzgeber überhaupt begegnen will. Da wird zwar von der "Erhaltung der Betriebs- und Brandsicherheit" gesprochen, was dies jedoch GENAU bedeuten soll, wird nirgends definiert. Will der Gesetzgeber etwa verhindern, dass in kalten Winetrn eine Heizungsanlage ausfällt (Betriebs-Sicherheit), um zu verhindern, dass Bewohner kläglich erfrieren?
Da wird nicht etwa ausgeführt, es solle Russbränden im Schornstein entgegen gewirkt werden. Oder man wolle Vergiftugen durch CO-Gas vorbeugen. Wenn dies nämlich so klar formuliert wäre, könnte ja jemand auf die Idee kommen, dass es auch andere, einfachere, kostengünstigere und vielleicht sogar wirksamere Möglichkeiten gibt, diesen Risiken zu begegnen. Vielleicht würde ja jemand z.B. erkennen, dass TECHNISCHE Sicherungen wirksamer wären und man sich das ganze Brimbimborium mit den Kehrbezirken und den Sonder-Gesetzen für Schornsteinfeger schenken könnte. Oder die Protektoren der Feger-Zunft kämen in Erklärungsnot, warum nicht auch ein Heizungsinstallateur-Meister bei seiner Wartung den CO-Wert im Abgas messen kann.
Ach ja, geht ja nicht. Das Gesetz heißt ja nicht "Feuerstätten-Sicherheitsgesetz". Es heißt "Schornsteinfeger-Handwerksgesetz". Und ein Gesetz, dass bereits den Beruf der Schornsteinfeger im Namen trägt, kann doch keine Arbeiten für ANDERE Berufsgruppen zulassen. Und so ein bischen Verfassungsbruch muss der deutsche Michel schon aushalten, wenn es doch um die ÖFFENTLICHE SICHERHEIT geht.
"Liebe Mitbürger, leider müssen wir das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung im Rahmen einer berufsrechtlichen Regelung einschränken. Nur durch das halbstaatliche Aufsichts-System der Kehrbezirke und die Zwangsbesuche durch dem Staat ergebene besonders protegierte Spezial-Gebäude-Reiniger können wir auch weiterhin die Kontrolle behalten. Fragen Sie nicht, welche Rechte Ihnen die Verfassung gibt. Fragen Sie lieber, wie Sie die Arbeit der Schornsteinfeger erleichtern können. Und füllen Sie bitte die Formulare und Formblätter sorgfältig aus. Andernfalls müssen wir den Hausbesuch Ihres Bezirks-Aufsehers notfalls mit Polizeigewalt durchsetzen. Aber wir wollen doch nur Sicherheit und Ordnung - Und natürlich das gesicherte und angemessene Einkommen unserer tapferen Männer und Frauen an der Kehrfront."
Nach Grimms Märchen nun also Berliner Märchen. Und wenn sich die Bürger das gefallen lassen, werden sie auch in Zukunft weiter fegen.